Pandemiekonditionierte Pädagogik

kribant   Kristine Trabant  IT-Consultant und Pädagogin

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Veränderung der menschlichen Begegnung

Seitdem die WHO am Mittwoch den 11. März 2020 einen Pandemie-Status erklärt hat, ist auch in Europa und in Deutschland viel außerordentliches geschehen. In Deutschland veröffentlicht das Robert-Koch-Institut seit 4. März einen täglichen Situationsbericht. Am 17. März 2020 wurden, neben anderen, Schulen und Kindertagesstätten und alle Begegnungsstätten der sozialen Fürsorge oder Bildung geschlossen. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Hospize, Wohnheime für Menschen mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf, alles wurde geschlossen. Niemand durfte mehr seinem Nächsten dort begegnen. Und es wurde untersagt einander privat zu treffen, die Eltern, Familienangehörigen und Verwandten oder Freunde zu besuchen. Eltern und Kinder saßen in ihren Wohnungen fest. Es war verboten auf den Spielplatz zu gehen. Überhaupt sollte der Aufenthalt außerhalb der Wohnung möglichst kurz gehalten werden.

Ende April kam in Baden-Württemberg dann die Mund-Nasen-Bedeckungspflicht. Auch für Kinder ab 6 Jahren. Als uns Anfang Mai wieder erlaubt war, Spielplätze zu nutzen, sollten die Kinder einen Abstand von 1 m 50 einhalten.

Immer mehr Kinder gehen nun in Schulen und Kitas, in streng voneinander getrennten Gruppen. Diese dürfen einander nicht begegnen. Eltern haben keinen Zutritt. Räume, Korridore sind behelfsmäßig mit Möbel-"Wänden" und Absperrbändern abgeteilt. Kinder dürfen nicht nebeneinander sitzen.

All das können wir Menschen noch nicht als kurze Schockepisode einfach abspalten und verdrängen. Denn es dauert ja an. Und hat alle Lebensbereiche durchdrungen. Und es prägt daher unsere Beziehungen längerfristig. Der erste Händedruck zwischen einander bisher fremden Erwachsenen, zwischen Eltern die ihr Kind im Kindergarten anmelden und der Erzieherin etwa: Er findet nicht mehr statt. Die kollegiale Umarmung: findet nicht mehr statt. Wir müssen also schon festhalten: Vor der Pandemie fußte unser pädagogisches Handeln auf anderen Voraussetzungen:

Nun müssen wir unser Pädagogisches Handeln auf andere Füße stellen und ganz neu fragen, was es jetzt braucht.

Sprachlern- und Bildungsprozesse bei Abstandsgeboten und Gesichtsbedeckung

Wenn die Abstandsgebote und die Gesichtsbedeckungen eine Episode von einigen Monaten bleiben werden, dann werden die Einflüsse nach und nach von unseren Lebenserfahrungen überwachsen werden. Jeder Mensch verfügt über Strategien, um mit einschneidenden Eingriffen umgehen zu können.

Wann können wir alle zu ungezwungener menschlicher Begegnung zurückkehren? Wo Ungezwungenheit fehlt ist der spontane Sprachausdruck gehemmt. Welche Auswirkungen hat das auf die Sprachlerner?

In den letzten Jahrzehnten ist in der frühkindlichen Pädagogik vieles geleistet worden, das die Feinheiten der Beziehungsqualität zwischen Pädagogischer Fachkraft und Kind herausgearbeitet hat. Die Mikroprozesse der Bildung wurden beschrieben und auch in konkrete Handreichungen für die Umsetzung im pädagogischen Alltag übertragen.

Viele etablierte Methodensätze für die Qualifizierung von ErzieherInnen - insbesondere für die sprachliche Bildung - machen diese Erkenntnisse zum Kern ihrer Qualifizierungsmodule: Stimmmodulation, Körperhaltung, Blickkontakt, Mimik, Wortwahl, Feinfühligkeit und Responsivität sind konkrete Parameter für professionelle Weiterbildung geworden.

Und diese Grundannahmen stehen in eklatantem Widerspruch zu den Pandemie-Maßnahmen und den durch diese Maßnahmen bei Kindern und Erwachsenen bewirkten Hemmungen ungezwungen aufeinander zuzugehen. Denn Ausgangspunkt allen pädagogischen Handelns, im Sinne des hier ausgeführten Verständnisses von der Unterstützung der Bildungsprozesse des jungen Kindes, ist seine natürliche Spontaneität und Fähigkeit sich spielerisch engagiert die Welt anzueignen.